Tagesgeschäft

Betrifft: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Fallmanagerin Frau Schwindsucht wegen Vermittlungsge­spräch vom 16.05.2011

Sehr geehrter Herr XY,

zu meinem größten Bedauern muss ich meinen Erstkontakt mit dem Jobcenter unter „unan­genehme Erlebnisse“ verbuchen. Ich beschwere mich über meine Fallmanagerin Frau Schwindsucht und fordere eine Stellungnahme zu folgendem Sachverhalt:

Anwesende bei dem Gespräch waren Frau Schwindsucht, ihre Zimmerkollegin, Mrs. Aufziehvogels Mama (Beistand wie in SGB X, § 13 Abs. 4) und Mrs. Aufziehvogel (Kundin).

Durch eine schwierige Lebenssituation habe ich mich Anfang dieses Monats dazu durchgerungen Arbeitslosengeld II zu beantragen. Zum 31.03.2011 habe ich aus finanziellen Gründen mein Studi­um an der Uni abgebrochen.

Ich habe meine Mutter, Mrs. Aufziehvogels Mama, zum Vermittlungsgespräch als Beistand mitgenommen. Meine Mutter wurde von Frau Schwindsucht mit den Worten begrüßt: „Das ist aber unüblich [Anm.: dass noch jemand mit am Gespräch teilnimmt].“

Vom Jobcenter  habe ich mir ein wenig Unterstützung erhofft, um ein selbstbestimmtes Le­ben auf eigenen Füßen führen zu können.
Diese Unterstützung wurde mir konsequent verweigert. Stattdessen wurde regelrecht eine Drohku­lisse aufgebaut, von der ersten Minute an.

Ich habe während meines Studiums bereits zweieinhalb Jahre als Texterin und Online-Redakteurin in einem Software-Unternehmen gearbeitet. Diesen Beruf würde ich gerne weiterhin aus­üben, da ich hier meine Talente sehe. Leider ist es in der Branche üblich, dass in der Regel projekt­bezogene Aufträge an sogenannte Freiberufler vergeben werden.

Genau aus diesem Grund habe ich in dem Fragebogen, den ich bei meiner Antragstellung Anfang Mai erhalten habe angekreuzt, dass ich an einer Beratung bezüglich Selbständigkeit interessiert bin.
Parallel dazu habe ich mich bereits um erste Aufträge gekümmert und meine Steuernummer beim Finanzamt beantragt und werde dort als Kleinunternehmer geführt.
Frau Schwindsucht ist auf diesen Punkt meiner Karriereplanung nicht eingegangen, bzw. behauptete stattdessen in diesem Zuge, dass ich

  1. nun von Steuergeldern lebe und somit keine Handhabe darüber habe, was ich wie gerne arbeiten möchte.
  2. die meisten Menschen eh in der Selbständigkeit scheitern würden.
  3. sie nun mal dafür da sei, mich in eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung zu bringen.

Somit war für Frau Schwindsucht das von mir erbetene Gespräch zur Selbständigkeit erledigt. Diese drei Totschlagargumente durfte ich in der Folge noch öfter vernehmen. Eine gemeinsame Erörte­rung meiner Lebenssituation war somit von vorneherein nicht möglich.

Im Folgenden wurde ich für fast zwei Stunden von Frau Schwindsucht regelrecht niedergemacht. Mehrmals nannte sie mich im Gespräch beim falschen Namen (Frau Aufziehhase) und führte auch eher ein Gespräch mit Ihrem Computer als mit mir. Dadurch fühlte ich mich abgefertigt und nicht persönlich betreut.
Nachdem ich ihr meinen holprigen Lebenslauf damit erklärte, dass ich unter Depressionen gelitten habe, notierte sie es sich sofort und sprach mich im weiteren Gesprächsverlauf ständig darauf an. („Aber jetzt sind sie doch gesund, oder etwa nicht?“) Sie hatte an allem etwas auszusetzen. So be­merkte sie z. B., dass meine Fremdsprachenkenntnisse in Polnisch, Spanisch und Französisch ja „nur rudimentär“ seien, weil ich Grundkenntnisse angekreuzt hatte. Sie unterstellte mir, ich würde absichtlich meinen Lebenslauf in der Textverarbeitung mit blauen Streifen versehen, weil der Aus­druck nicht einwandfrei war. Hierzu stelle ich fest: Tinte ist teuer. Ich habe kein Geld. Sie makelte an, dass ich auf dem Bewerbungsfoto keine Brille tragen würde, nun aber schon.
Sie fand es sehr befremdlich, dass ich mich fast ausschließlich online bewerbe. Hierzu stelle ich fest: Dies ist im Jahre 2011 in meiner Branche durchaus üblich.
Dies ist natürlich nicht üblich, wenn man sich als Produktionshelfer verdingt. Frau Schwindsucht machte mir sehr deutlich, dass das aber durchaus meine Zukunft sein wird.

Mit einem süffisanten Grinsen sagte Sie, sie würde nicht verstehen, warum ich nur eine Teilzeitstel­le suche. Ich antwortete ihr, dass ich davon ausgegangen wäre, hauptsächlich selbständig zu arbei­ten und eine Teilezeitstelle als Absicherung der Lebensumstände sehe.
Dieses Argument ließ Frau Schwindsucht natürlich nicht gelten, denn meine Selbständigkeit zählte ja von vorneherein nicht für sie. Zudem setzte sie Teilzeit mit 400-Euro-Job gleich. (Das reichte nicht aus, um aus der Bedürftigkeit zu kommen.)
Zum Schluss, als ich bereits so mürbe geklopft war, dass ich meine Tränen nicht zurückhalten konn­te, hatte Frau Schwindsucht die Idee, mich in eine Maßnahme zu stecken zur Orientierung und Aktivie­rung, eine Maßnahme, in der man seine Stärken und Schwächen kennenlernen würde. Sie verkaufte mir diese Maßnahme als eine Art Seminar. Sie begründete ihre Entscheidung außerdem mit den Worten, dass das studentische Lotterleben nun vorbei sei und sie sich vorstellen könne, dass ich da die ersten Wochen bestimmt total kaputt nach Hause käme.
Hierzu stelle ich fest: Frau Schwindsucht ist mir gegenüber respektlos und diskriminierend aufge­treten. Ich möchte mit ihr nichts mehr zu tun haben. Ich vermute, sie hat sich bereits ein Ur­teil über mich gebildet, bevor ich ihr vorstellig wurde.

Mir war des Weiteren nicht klar, dass es sich um einen sog. Ein-Euro-Job handelte. Ich bin davon ausgegangen, dass diese Art von Beschäftigung nur an schwer vermittelbare Personen verteilt wird, Personen, die wirklich schon lange Zeit keinen Bezug mehr zum Arbeitsleben haben. Wie kann man mich als schwer vermittelbar einstufen, wenn noch gar keine Vermittlung stattgefunden hat? Auf meine Frage, wie ich mit einem Auftrag umgehe, der innerhalb dieser acht Wochen ansteht, bekam ich keine Antwort, nur die Drohung, dass mir Geld gekürzt würde, wenn ich den nicht angeben soll­te. Zudem erschließt sich mir nicht der Sinn, mit welcher Begründung ich aktiviert werden soll, oder warum ich mich zu orientieren habe. Bis zu meinem Vermittlungsgespräch wusste ich sehr ge­nau, was ich möchte. Ich arbeite gerade intensiv daran, mir ein Homeoffice aufzubauen und einen Webauftritt zu gestalten, mangels Geld bin ich leider gezwungen, mir die Technik selber beizubrin­gen, so dass dies eventuell mehr Zeit in Anspruch nehmen könnte, als das Engagieren einer Agen­tur. Ich bewerbe mich bei Texter-Börsen, um ein Portfolio für größere Aufträge anlegen zu können (in der Branche zählen Referenzen, ich arbeite gerade daran, dass diese üppiger ausfallen). Zudem überprüfe ich gerade verschiedene open-source basierende und browserbasierte Programme zur Fakturierung und Zeiterfassung, um örtlich unabhängig arbeiten zu können. Eine 30stündige Maßnahme, von der ich keinen persönlichen Nutzen für mich erkennen kann, erachte ich als Zeitverschwendung und Vergeudung von teuren Ressourcen (Zeit). Der Aufbau meiner Selbständigkeit ist sonst kaum mit Kosten verbunden. Ich benötige lediglich Internet und ein Netbook, um ortsunabhängig arbeiten zu können. Ich brauche kein Büro und falls mein PC repariert werden muss, benötige ich lediglich die Ersatzteile, da ich selber in der Lage bin, Computer zusammen zu bauen.

Ich stelle fest: Die Unterschrift zum Vertrag zur Wiedereingliederung wurde von mir unter vollkom­men falschen Voraussetzungen und massivem, zwei Stunden anhaltenden Psychodruck getätigt. Aus diesem Grunde habe ich bereits am 18.05.2011 diesen Vertrag gekündigt.
Nun werden mir in einem Schreiben vom 20.05.2011 Sanktionen angedroht. Auf meine Kündigung wurde mit keinem Wort eingegangen.Ich gehe davon aus, dass durch die Aufkündigung des Vertra­ges meinerseits, der Vertrag ungültig ist und neu vereinbart werden muss. Dazu bin ich gerne bereit, allerdings weder mit Frau Schwindsucht, noch mit Ihrer Kollegin in Zimmer 132.

Frau Schwindsuchts Zimmerkollegin schaltete sich gegen Ende des Vermittlungsgespräches auch noch ein und empfahl mir, mich in der im Büro ausliegenden Broschüre über meine Rechte und Pflichten zu informieren. Was muss ich da feststellen? Dort steht u. a. explizit, dass ich Anspruch auf Bera­tung, ja sogar Prüfung einer Förderung der Selbständigkeit hätte. Diese Informationen wurden mir verwehrt. Mir erschließt sich beim besten Willen nicht, warum mir diese Informationen von vorne­herein, ohne mich zu kennen, vorenthalten wurden.

Stattdessen drängten mich beide Frauen dazu, Bereitschaft für einen Ortswechsel zu zeigen. Hier gibt es schließlich nicht solche Jobs. Ich bemerkte, dass ich hier sehr gerne und vor allem mietfrei lebe, worauf Frau Schwindsucht abfällig bemerkte: „Ja, das ist natürlich bequem, wenn man noch zu Hause lebt.“ Dazu stelle ich fest: Frau Schwindsucht geht es nicht im Geringsten an, wie ich mein Le­ben gestalte. Ich verbitte mir Bewertungen über meinen Lebensstil.

Zu guter Letzt möchte ich Sie noch auf die Seiten der Arbeitsagentur verweisen zum Thema Existenz­gründung: http://www.arbeitsagentur.de/nn_26400/Navigation/zentral/Buerger/Hilfen/Existenzgruendung/Existenzgruendung-Nav.html

Beachten Sie bitte auch Seite 55 dieser Datei, eine Broschüre herausgegeben von der Bundesagen­tur für Arbeit: http://www.kmsi.de/fileadmin/contents/03_wirtschaftsfoerderung/existenzgruendung/existenzgruendung_arbeitsagentur.pdf

Warum wird dort so ein positiver Eindruck vermittelt, wenn es dem Jobcenter offensichtlich nicht daran liegt, Menschen bei Ihren Vorhaben zu fördern? Ich meine damit in keiner Weise Geldleistun­gen, ich bin nicht mit der Intention angetreten, mir von Ihnen meine Büroeinrichtung finanzieren zu lassen, ich wollte einfach nur eine Beratung darüber haben, welche Möglichkeiten ich habe und worauf ich achten muss. Und diese fordere ich nach wie vor ein.